Kinga Glyk

All About The Bass

Nein, meint Kinga Glyk, Jazz sei nicht nur etwas für nostalgische alte Männer. Ganz im Gegenteil, es sei Musik, die mitreißt, mit ihr selbst als bestes Beispiel dafür. In diesen Tagen ist die Zwanzigjährige die jüngste und bekannteste Bandleaderin der polnischen Musikszene. Sie ist eine schillernde Figur des Kulturlebens, auch weil sie ein Instrument gewählt hat, um das Frauen sich sonst selten kümmern: „Ich wusste von Anfang an, dass ich Bass spielen würde, da gab es gar keinen Zweifel. Denn ich mochte diese tiefen Noten. Schon als Kind stand ich vor dem Radio und tat so, als würde ich Bass spielen. Mein Vater übrigens war zunächst gar nicht begeistert, als ich ihn fragte, ob er mir einen Bass kaufen wolle. Er schlug mir Klavier, Geige oder Gitarre vor, eben etwas, das besser zu Mädchen passt. Aber ich konnte ihn überzeugen, da war ich elf Jahre alt. Seitdem spiele ich Bass“.

So sehr Papa Irek am Anfang seine Bedenken hatte, so nachhaltig förderte er doch von da an die Karriere seiner Tochter. Bald spielte Kinga in der Familiencombo „Glyk P.I.K. Trio“, zusammen mit dem Vater am Vibraphon und ihrem trommelnden Bruder, und stand häufig auf der Bühne, denn die Band war gut im Geschäft. Es waren Jahre, in denen die Teenagerin musikalisch viel ausprobieren konnte, und Kinga wurde schnell so gut, dass sie sich mit 18 an ihr erstes Album „Registration“ wagen konnte. Das war auch der Moment, von dem an ihr Name auf dem Cover stand, und die heimische Musikwelt zu merken begann, dass da ein besonderes Talent sich zu Gehör meldet.

Seitdem geht es rasant voran. Das Kinga Glyk Trio machte sich auf den Weg, auch über die Landesgrenzen Polens hinaus Konzerte zu spielen. Aus Klubs wurden Säle, aus kleinen Gigs Festivalauftritte im Umkreis renommierter Jazzkollegen, bis hin zum Stuttgarter Jazz Open oder auch dem Festival da Jazz in St. Moritz. Ein zweites Album mit dem Titel „Happy Birthday“ folgte 2016, eine Live-Aufnahme aus dem Teatr Ziemi Rybnickiej. Und ihre Videos, wie beispielsweise die Soloversion von Eric Claptons „Tears In Heaven“, wurden auf YouTube zu Hunderttausenden angeklickt. Glyks Bekanntheitsgrad wuchs, Fernsehteams klopften bei ihr an, Features erschienen, und sie selbst machte sich bereit für den Sprung in die internationale Musikwelt. „Dream“ heißt ihr drittes Album, das erste, das bei Warner erscheint und sie mit einer grandiosen neuen Band zusammenbringt.

An den Saxofonen hört man den Briten Tim Garland, der schon mit Koryphäen von Kenny Wheeler bis Chick Corea gearbeitet hat. Klavier spielt der israelische Pianist Nitai Hershkovits, der über seine Jahre im Trio von Avishai Cohen bekannt wurde. Und am Schlagzeug sitzt der New Yorker Gregory Hutchinson, schlicht einer der wichtigsten Drummer seiner Generation. Auf dem Programm von „Dream“ stehen überwiegend eigene Kompositionen, darüber hinaus eine Duo-Version von Glyks Viral-Hit „Tears In Heaven“, außerdem „Teen Town“, eine Verbeugung von dem Maestro der Bassgitarre Jaco Pastorius. Es geht viel um Groove, um Spaß, aber auch darum, über die Musik ein persönliches Verhältnis zu den Hörern aufzubauen: „Musik ist für mich mehr als nur ein Klang. Ich versuche, mit den Menschen ganz andere Sachen zu teilen, als nur das Spielen von langsamen und schnellen Noten. Denn ich will Songs schreiben, die etwas mitteilen. Musik ist für mich eine große Reise. Ich mache das, was ich liebe, und es ist wunderbar! Meine Träume erfüllen sich schneller, als ich es jemals erhofft hatte!“ Nicht zuletzt durch ein Album, dem sie den Titel „Dream“ gegeben hat.